Erlebnismäßig durchaus verständlich ist, daß man zwischen Sonnenverehrung einerseits und Feuer- und Lichtverehrung andererseits kaum unterscheidet, und daß diese Begriffe beständig ineinandergehen. Die Sonne ist das große Feuer schlechthin, und jedes Feuer wiederum erinnert an die Kraft der Sonne. So erklärt sich auch leicht die große Bedeutung des Feuers im deutschen Brauch. Fackelläufe und Höhenfeuer können nicht allein aus der praktischen Notwendigkeit der Beleuchtung erklärt werden, zumal sie nicht immer in der Dunkelheit stattfinden. Jedenfalls sind sie auch an die großen Feste gebunden. Schon Wilhelm Mannhardt hat auf Grund der Übereinstimmungen bei den deutschen Jahresfeuern (Fasnachtsfeuer, Osterfeuer, Maifeuer, Johannisfeuer, Martinsfeuer, Weihnachtsfeuer) die durchaus richtige Überzeugung vertreten, daß sie alle auf einen Ursprung zurückgehen. Dem Jahresfeuer gegenüber verhält sich das sogenannte „Notfeuer" teilweise, wenn auch vielleicht nicht im Anfang, wie ein außerordentliches Mittel zu einem regelmäßig angewandten. Eine unter Bonifatius im Jahre 742 abgehaltene Synode in Mainz versuchte, „illos sacrilegos ignes, quos niedfyr vocant", auszurotten. Und schon ein Jahr später, 743, handelte wiederum eine Synode und zwar diejenige zu Liftines in den Niederlanden „de igne fricato de ligno id est Nodfyr". Das Notfeuer begleitete die Germanen durch ihre Geschichte, und noch 1764 war in Schweden ein Verbot gegen dasselbe notwendig."
- Wolfram Goegginger und Gustav Mensching
Volksreligion und Weltreligion im deutschen Brauchtum
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