Baum- und Waldkult die weitaus vorherrschende Form. Die natürliche Beschaffenheit des Landes macht das ohne weiteres verständlich.
„Nach der Anschauung der Germanen verträgt es sich nicht mit der Erhabenheit der Himmlischen, sie in Tempel einzuschließen und sie menschenähnlich darzustellen. Wälder und Haine weihen sie ihnen, und mit Namen von Göttern rufen sie jenes geheimnisvolle Wesen an, das sie nur in frommer Andacht schauen“. Mit diesem Bericht des Tacitus über Wälder und heilige Haine als Kultstätten stimmen die alten sprachlichen Bezeichnungen der heidnischen Heiligtümer, die wir kennen, durchaus überein.
Wir können auch eine Reihe solcher heiligen Waldbezirke im einzelnen namhaft machen. In den Kämpfen des Arminius gegen Germanicus finden wir bei Tacitus im Jahre 16 n.d.übl.Ztrg bei den Cheruskern einen dem „Hercules“, d.h. dem Thor geheiligten Wald östlich der Weser, den Arminius für das germanische Heer als Sammelplatz bestimmt. Bei den Ostgermanen ist es genau ebenso. Zu ihnen gehört der wandalisch-lugische Stamm der Naharvalen, deren göttliches Brüderpaar der jugendlichen Alken, wie Tacitus in der Germania berichtet, ebenfalls in einem heiligen Haine verehrt wurde. Genauer hat man diesen Hain mit einer anderen bekannten Kultstätte, dem schlesischen Zobtenberge, zusammenlegen wollen.
Bei der durchaus gesicherten Anschauung von diesen heiligen Hainen ist man sonst wohl mit der Heiligsprechung eines bestimmten Waldes gelegentlich zu weit gegangen. Man braucht nicht gleich jeden Hain als einen heiligen und dementsprechend jeden damit verbundenen Namen für den eines Gottes zu erklären. Wir haben in dieser Hinsicht ein sehr bekanntes Beispiel. Im Jahre 28 n.d.übl.Ztrg erwähnt Tacitus bei den Friesen „den sogenannten Hain der Baduhenna“. Immer wieder wird das auf einen „heiligen“ Hain einer „sonst unbekannten Göttin“ Baduhenna gedeutet. Ein gesicherter Grund liegt dazu aber nicht vor, sondern es handelt sich offenbar lediglich um eine Ortsbezeichnung nach einem Frauennamen.
Im übrigen aber steht der Begriff des heiligen Haines als einer der Hauptkultstätten des Germanentums durchaus fest. Mit ihm verbindet sich unmittelbar der des heiligen Baumes. Wir müssen uns hier mit dieser Feststellung zufrieden geben, ohne daß wir auf die vielfach bis in unsere Tage dauernden Nachklänge dieser Vorstellungen eingehen können. Aus spätgermanischer Zeit genügt ein Beispiel. Noch im Jahre 727 verordnet bei den Langobarden Liutprand in seinen Gesetzen: „Wer an einem Baum, den die Landleute einen heiligen Baum nennen, oder an Quellen betet oder heidnischen Gottesdienst oder Beschwörungen treibt, der soll die Hälfte seines Wergeldes als Strafe zahlen.“
Neben den Bäumen erscheinen nun an jener Stelle auch heilige Quellen, und über diese sowie über sonstige heilige Gewässer haben wir ebenfalls alte und noch mehr jüngere Berichte. Tacitus erzählt von einem Kampfe der Hermunduren mit den Chatten um einen zwischen den beiden Völkerschaften strittigen Salzfluß, und er bezeugt dabei, daß nach germanischer Anschauung die Salzquellen besonders heilige Stätten seien, und daß an diesen Stellen mehr als irgendwo anders die Götter den Gebeten der Menschen erreichbar seien. Aus den Wirbeln der Ströme und aus dem Rauschen der Bäche sagten, wie wir von Plutarch wissen, die germansichen Frauen die Zukunft voraus.
Ende von Teil I
Wird fortgesetzt ...
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