Jedes Jahr nehme ich mir vor, den alten Brauch zu wahren und zwischen den Tagen keine Wäsche zu waschen. Es ist eine schöne Tradition, die innehalten lässt, aber in einem Sieben-Personen-Haushalt oft schwer umzusetzen ist. Kaum ist der Wäscheständer feierlich weggepackt, die Körbe leer und alles bereit für diese besondere Zeit, beginnen die Kinder wie auf Kommando, kurz vor Weihnachten ihre Betten abzuziehen. Plötzlich türmt sich wie aus dem Nichts ein Berg Wäsche vor der Maschine auf, der noch dringend gewaschen werden will.
Dieses Jahr, während ich auf meinen obligatorischen Wäscheberg warte, der bislang überraschend ausbleibt, fielen mir Gedanken ein, die ich nicht mehr loswurde: Wenn ich all meine Erinnerungen an einer Wäscheleine aufhängen würde, dann wäre diese nicht nur endlos lang, sie wäre auch extrem bunt. Jeder Moment, jede Erfahrung hätte seinen Platz – vom leuchtenden Laken, das ich gerne nochmal aufbügeln und neu erleben würde, bis hin zu alten Stücken, die ich abhängen, zusammenfalten und endgültig loslassen möchte, weil ihre Zeit vorbei ist.
Und doch gehört alles, was an dieser Leine hängt, zu meinem Leben. Genau wie die Wäsche, die uns täglich umgibt, erzählen auch diese Erinnerungen Geschichten von mir, von uns als Familie, von diesem unaufhörlichen Kreislauf aus Chaos, Ordnung und Neubeginn. Vielleicht ist es gerade deshalb so schön, den Brauch des Nicht-Waschens zwischen den Tagen zu pflegen – eine stille Erinnerung daran, dass wir uns die Zeit nehmen dürfen, über das nachzudenken, was hängen bleibt, und loszulassen, was uns nicht mehr dient.
In diesem Sinne wünsche ich allen, dass sie ihre eigene Wäscheleine des Lebens betrachten können – bunt, chaotisch, aber immer voller Geschichten.
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