💥Gut, aber inkonsequent 💥Auf den Seiten des Verfassungsblogs weist der Leipziger Juniorprofessor Fabian Michl völlig zurecht auf die demokratische Diskontinuität hin.
Das bedeutet, der ehemalige Landtag und damit der verfassungsmäßige Gesetzgeber kann – wenn man konsequent ist – den neuen Landtag nicht an eine Geschäftsordnung binden.
Sowohl die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags als auch das Geschäftsordnungsgesetz wären bis zu ihrer Bestätigung durch den neuen Landtag unanwendbar.
Quelle:
https://verfassungsblog.de/demokratische-diskontinuitat/Denn das Prinzip des Selbstorganisationsrechts des Landtags hat Verfassungsrang.
Was wäre also zu tun?
Mit der Annahme der Wahl stehen jedem Abgeordneten die Rechte eines Abgeordneten zu. Die Abgeordneten bilden sodann Fraktionen. Diese Fraktionen müssten sich auf einen Tag der konstituierenden Sitzung des Landtags innerhalb von 30 Tagen nach der Wahl einigen, und die Landtagsverwaltung müsste hierzu einladen.
Vier Punkte dürfte es auf der Tagesordnung nur geben:
1. Feststellung der Beschlussfähigkeit
2. Wahl eines Sitzungsleiters
3.. Beschluss über eine Geschäftsordnung
4. Festlegung einer Tagesordnung
Nur dann wären beide Grundsätze – Diskontinuität und Selbstorganisationsrecht – in verfassungskonformer Weise gewahrt.
Was Michl macht, ist "Rosinenpickerei". Denn die Befugnisse des Alterspräsidenten, die Sitzung bis zur Wahl eines Landtagspräsidenten zu leiten, leitet er aus einem Gewohnheitsrecht einer seit dem 19. Jahrhundert erfolgten ständigen Übung ab. Das ist bereits deshalb falsch, weil der Deutsche Bundestag den Begriff des Alterspräsidenten umdefiniert hat und deshalb etwas anderes „übt“.
Michl sieht in der Bestimmung des Alterspräsidenten noch keine Fortgeltung der bisherigen Geschäftsordnung.
Tatsächlich muss sich das Parlament erst eine Geschäftsordnung geben, ausdrücklich oder durch stillschweigende Anerkennung der bisher bestehenden.
Demzufolge wird die bisher bestehende Geschäftsordnung spätestens dann bis zur Wahl einer neuen durch Mehrheitsbeschluss anerkannt, wenn sich das in Jahren älteste Mitglied des Parlaments auf den Präsidentenstuhl setzt, dem Parlament sein Geburtsdatum nennt und fragt, ob es jemanden gäbe, der in Jahren älter sei – und niemand dieser „Amtsübernahme“ widerspricht.
Eröffnet der so akklamierte Alterspräsident dann die erste Sitzung des neuen Landtags, gilt die bisherige Geschäftsordnung fort.
Es können ab dann nur noch Anträge
zur Geschäftsordnung, aber nicht mehr Anträge
über die Geschäftsordnung gestellt werden.
Denn neben dem Verfassungsprinzip der Selbstorganisation gilt auch das Prinzip der Bindung an Recht und Gesetz.
Mit der Akklamation eines in der Verfassung nicht vorgesehenen Alterspräsidenten hat sich das Parlament an die Regeln der bestehenden Geschäftsordnung gebunden und kann diese nur noch auf dem darin vorgesehenen Weg mit Mehrheit wieder ändern.
Zusammenfassend hätte die CDU der Eröffnung der Sitzung durch den Alterspräsidenten widersprechen müssen.
Nachdem die Sitzung eröffnet war, musste auch die CDU sich an die von ihr anerkannte Geschäftsordnung halten. Diese hat der Alterspräsident konsequent eingehalten.
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t.center/RA_LUDWIG