🇦🇹⚖️ Was ist "Widerstand gegen die Staatsgewalt"? ⚖️🇦🇹aus Anlass der Ereignisse in Innsbruck am 20.02.2021
Ist es "Widerstand gegen die Staatsgewalt", wenn ich einem Polizisten nicht gehorche - egal, was er von mir verlangt? Wenn mir ein Polizist sagt "hüpf auf einem Bein um das Haus herum", muss ich das tun? Und wenn ich es nicht tue, darf die Polizei mich behandeln wie sie möchte?
Entgegen der landläufigen Meinung (und der Interpretation einiger Polizeibeamter...) sind die Befugnisse eines Polizisten nicht uneingeschränkt, sondern klar definiert. Ebenso wie der Begriff "Widerstand gegen die Staatsgewalt". Wenn wir noch in einem Rechtsstaat leben, und noch nicht in einem Polizeistaat (in Österreich gehe ich immer noch davon aus, dass es so ist!), dann gilt:
§ 269 StGB Widerstand gegen die Staatsgewalt
(1) Wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt und wer einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, im Fall einer schweren Nötigung (§ 106) jedoch mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Amtshandlung nötigt.
(3) Als Amtshandlung im Sinn der Abs. 1 und 2 gilt nur eine Handlung, durch die der Beamte als Organ der Hoheitsverwaltung oder der Gerichtsbarkeit eine Befehls- oder Zwangsgewalt ausübt.
(4) Der Täter ist nach Abs. 1 nicht zu bestrafen, wenn die Behörde oder der Beamte zu der Amtshandlung ihrer Art nach nicht berechtigt ist oder die Amtshandlung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt.
Was ist unter "Gewalt" zu verstehen?
"Gewalt" ist laut
Rechtsatz RS0094001 die Entfaltung physischer Kraft in einer an sich zur Überwindung der Gegenwirkung geeigneten Intensität (hier: Losreißen vom festhaltenden Beamten). Umsichschlagen mit Händen und Füßen ist Gewalt gegen die Beamten.
Gewalt im Sinn des § 269 Abs 1 StGB wird auch durch (ungezieltes) Umsichschlagen geübt, wenn die Schläge entweder den Beamten treffen oder ihn von einer (weiteren) Annäherung abhalten. "Losreißen" muss nicht in jeden Fall und ausnahmslos dem normativen Begriff "Gewalt" entsprechen, der zwar keine besondere Kraftanstrengung voraussetzt, aber immerhin doch die Aufbietung einiger Körperkraft. Das Losreißen des Angeklagten von den Beamten unter Aufbietung einiger Körperkraft entspricht dem Gewaltbegriff des § 269 Abs 1 StGB. Überraschendes Losreißen
ohne Anwendung gegen den Festhaltenden gerichteter Körperkraft unter Ausnützung einer Unaufmerksamkeit ist keine Gewalt.
Wie sieht der Verfassungsgerichtshof die Reaktion der Polizei auf solche "Gewalt"?
Der Verfassungsgerichtshof sprach schon wiederholt aus (vgl. ua.
B270/85), daß eine (iSd WaffengebrauchsG) unzulässige Anwendung von Körperkraft dann gegen das in Art3 MRK statuierte Verbot erniedrigender Behandlung verstößt, wenn darin eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zum Ausdruck kommt. Gemäß Rechtssatz
B2926/96 könnte das Zerren an den Haaren unter bestimmten Umständen eine solche Missachtung darstellen. Gemäß
B1341/97 können auch Verhaltensweisen wie "unmotivierte" Schläge eines Polizeiorganes, Verletzungen des Körpers, Verweigerung medizinischer Hilfeleistung und Verletzungen des Rechtes auf persönliche Freiheit als gröbliche Mißachtungen der Menschenwürde in Frage kommen.
Warum es wichtig ist, solche Vorfälle zu filmen
Den Unterschied zwischen "Gewalt" oder "nicht Gewalt" kann es ausmachen, in welcher Richtung sich ein Verdächtigter bewegt hat, oder in welche Richtung seine Hände sich in einem ganz bestimmten Augenblick bewegt haben. Mit einem Videobeweis kann man das eindeutig nachvollziehen.
Bitte filmt daher immer mit, wenn euch etwas unrichtig vorkommt, und stellt die Videos in der Dokumentationsgruppe zur Verfügung:
➡️➡️➡️➡️ https://t.me/joinchat/SEHPzhSlkTGKK6zA Alexander Ehrlich