Im Hollywooddrama „Kramer gegen Kramer“ spielt Meryl Streep eine liebende Mutter. Trotzdem verlässt sie ihr Kind, um sich beruflich zu verwirklichen. Geht das? Eine Arte-Dokumentation zeigt, dass das sehr wohl funktionieren kann.
In ihrem Film hinterfragt Marion Priglinger das fest zementierte Bild der „guten Mutter“. Mit ihrer kulturhistorischen Zeitreise schlägt die Autorin einen weiten Bogen von der spirituellen Mutterschaft im Mittelalter bis hin zu plakativen Mama-Bildern in sozialen Netzwerken.
Die idealtypische Vorstellung einer Frau, die das Kind, das sie zur Welt bringt, aus einem natürlichen Impuls heraus liebend an die Brust legt, ist keineswegs naturgegeben. So waren Ehe und Mutterschaft im Mittelalter „nur zweitbeste Wahl“. Als höherwertig galt die Lebensform der Nonne – in ihrer Keuschheit. („Die Erfindung der guten Mutter“, Mittwoch, Arte, 22 Uhr 05)
### Wer es sich leisten konnte, delegierte Mutterschaft an eine Amme
Eine Ausnahme bestätigt diese Regel: Die Ikone der Heiligen Maria vereinigt leibliche Mutterschaft nicht zufällig mit unbefleckter Empfängnis. Diese weibliche Spiritualität wurde später durch Martin Luther verdrängt. Der Film versucht die Reformation als „Krieg der Geschlechter“ lesbar zu machen. Die biologische Mutter und Ehefrau wird zum „neuen Ideal“ erhoben.
Im Gegenzug wird das keusche Leben der Nonne „als hysterisch stigmatisiert“. Weibliche Gesundheit wird, so die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken, „auf die patriarchale Ehe zugerüstet“.
Eine gegenläufige Strömung zeigte sich im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Die Beziehung zum Baby und Kindeserziehung überhaupt – all das galt in der Aristokratie als „animalisch“.
Wer es sich leisten konnte, delegierte Mutterschaft an eine Amme. Dieser Trend, der aufs Bürgertum übergriff, erhöhte die Kindersterblichkeit und führte zum Bevölkerungsrückgang. Aufklärer wie Heinrich Pestalozzi im deutschsprachigen Raum stärkten daraufhin das Bild einer Frau, die sich dem Nachwuchs wieder mehr verbunden fühlte.
### Eine „zweifelhafte Aufwertung“ im Nationalsozialismus
Die bittere Kehrseite dieses neuen Ideals offenbarte sich in der Unterschicht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts werfen Künstler wie Gustav Klimt einen sozialkritischen Blick auf das Elend von Frauen, die zehn und mehr Kinder zur Welt bringen mussten. In dem Maße, in dem auch Frauen die Kunstszene betraten, bröckelte das idealtypische Bild der liebenden Mama immer mehr.
Eine „zweifelhafte Aufwertung“ erhielt der Status von Mutterschaft durch die Gebärpolitik des Nationalsozialismus. Als „entsexualisierte, rassisch reine Madonna“ soll sie dem Staat „schlafende Heere in die Wiege legen“. Im Zeitraffer zeichnet die Dokumentation nach, wie traumatisierte Männer nach Kriegsende heim kamen in ein zerbombtes Land, in dem ihre patriarchale Macht pulverisiert worden war.
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In der Bundesrepublik restaurierte man die Rolle des Ernährervaters in der Kleinfamilie. Die Frau musste an den Herd. Die DDR setzte dagegen auf eine Doppelrolle. Die Frau wurde in den Arbeitsmarkt eingegliedert – blieb aber auch im Sozialismus für den Haushalt zuständig. Was also ist der Mutterinstinkt letztendlich? Ein männliches Phantasma?
Die vielschichtige argumentative Bogen mündet in eine doch etwas schlichte Schlussfolgerung. Frauen würden auch heute noch daran scheitern, „eine absolut gute Mutter“ sein zu wollen. Schuld an diesem fragliche Ideal, so die französische Philosophin Elisabeth Badinter, ist die Psychoanalyse. Die Ideen Freuds seien noch „stark in den Köpfen der Frauen verankert.“
Sehenswert ist der Film dennoch. Im Schnelldurchlauf dekliniert unterschiedlichste Konzepte von Weiblichkeit und Mutterschaft durch. Schade nur, dass die Doku nicht einen Blick über den eurozentrischen Tellerrand hinaus wirft. Manfred Riepe
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