Offener Brief an
[email protected]Herr Kiesewetter,
ich verzichte auf die üblichen Höflichkeitsfloskeln, die verdienen Sie nicht. Es wird mir schwer fallen, halbwegs Stil zu bewahren und auf den Gebrauch meines umfangreichen Repertoires an Schimpf- und Tiernamen zu verzichten. Sollten Sie es nicht ertragen, dies zu lesen, dann hören Sie auf, Krieg mit Rußland zu fordern. Was denken Sie sich eigentlich dabei? Ich vermute Ihnen fehlt jegliches Wissen über russische Waffenarsenale und deren Produktionskapazitäten, mit denen die NATO gewiß nicht mithalten kann. Außerdem scheinen Sie den Geschichtsunterricht geschwänzt zu haben, als die diversen Versuche, Rußland zu besiegen behandelt wurden. Ihre Geschichtsvergessenheit ist phänomenal.
Was Ihnen wohl ebenfalls fehlte, sind Eltern und Großeltern, die vom Krieg und von der Nachkriegszeit erzählten. Ich habe den meinen zugehört und kann Ihre Wissenslücken gerne mit Berichten aus erster Hand füllen, melden Sie sich bei Bedarf. Ihnen fehlt jedenfalls nicht die unverschämte Frechheit, die es braucht, um die Forderung nach Krieg zu stellen. Schämen Sie sich in Grund und Boden!
Ich frage mich, was in Ihrem Kopf vorgeht. Ob Ihre Wähler wohl zu denselben Schlüssen kommen wie ich? Neben Kriegslüsternheit tritt aus Ihren Worten jedenfalls eines klar zutage: Ihnen ist es egal, ob andere Leute im Bombenhagel sterben, sie interessieren sich nicht die Bohne dafür, ob Menschen verletzt, getötet, verelendetet oder verwaist werden. Sie hetzen ungerührt Menschen in den Tod, damit klebt an Ihren Händen Blut. Sie denken nur an sich selbst und vermutlich glauben Sie, Sie können sich solche Äußerungen erlauben, weil SIE schließlich nicht unter den Folgen leiden müssen, weil Sie nicht an die Front müssen und notfalls ihren Platz im Bunker haben. Das ist es, was Sie mit dem Interview gesagt haben, DAS ist es, was Menschen wie ich da heraushören.
Aber Sie würden nicht ungeschoren davon kommen. Es gibt nämlich außer dem Verlust von Angehörigen, Freunden oder Wohlstand noch andere unangenehme Dinge, die auch Ihnen blühen können. Sie dürfen davon ausgehen, daß es den russischen Armeen und deren Waffen gelingen wird, Deutschland physisch völlig zu zerstören – man muß sie nur ausreichend zu provozieren, womit Sie ja schon begonnen haben. Und dann? Was, wenn sie Deutschland in einen Feuersturm verwandelt haben und irgendwann wieder Frieden ist? Was haben SIE dann noch? Ganz sicher niemanden, der dafür sorgt, daß auf Ihrem Teller Essen ist, denn es ist kaum einer übrig, der das kann, oder bei Ihresgleichen auch nur will.
Falls Sie den verwegenen Gedanken hegen, daß die NATO-Truppen das aufhalten können, dann empfehle ich einen Grundkurs in Waffentechnologie, wie z. B. Hyperschallraketen. Vor allem empfehle ich die Lektüre von Schultze-Rhonhof „1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte“. Sie würden beim Lesen feststellen, daß Deutschlands NA(h)TO(d)-Kumpels schon immer die unschöne Angewohnheit hatten, ihre Verbündeten zu täuschen und im Stich zu lassen, wenn es drauf ankam. Falls Sie glauben, Deutschland wäre im Ausland beliebt und hätte Freunde, sind Sie – freundlich ausgedrückt - naiv.
Sie sind ein skrupelloser, faktenresistenter Kriegstreiber, Ihnen fehlt jegliche Bildung, vor allem Herzensbildung und die Fähigkeit, Zukunftsoptionen zu überblicken. Fragen Sie Ihren Parteigenossen Willy Wimmer, wie er die damaligen NATO-Planspiele für einen heißen Krieg erlebt hat. Von dem können Sie noch viel lernen. Überhaupt stelle ich fest, daß Sie noch sehr viel mehr zu lernen hätten, bevor man Ihnen auch nur den Job eines Taxifahrers anvertrauen dürfte. Sie würden nicht einmal den Wesenstest eines Schäferhundes bestehen. Menschendarsteller wie Sie sind mir zutiefst zuwider – und ihren Wählern hoffentlich auch.
Vermutlich halten Ihre Bediensteten Ihnen gehässigerweise Briefe wie meinen vom Leib, um Ihre Fortbildung zu verhindern. Darum werde ich ihn veröffentlichen.
Hochverachtungsvoll
Jenny Friedheim
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