Wenn das CERN die Zielscheibe wechseltWer sich auf Radenviro “
Zugang zu den Daten/Luft: Hochvolumen Aerosol-Filter HVS” längere Zeitreihen von Iod-131 in der Luft ansieht, dem fallen drei Dinge auf.
Erstens gibt es bei allen Stationen eine grosse Spitze Ende März/Anfang April 2011. Das war die radioaktive Wolke, die nach dem Reaktorunfall von Fukushima nach rund 3 Wochen aus Westen – stark verdünnt und keine Gefahr mehr für Umwelt und Gesundheit – Europa erreichte.
https://www.radenviro.ch/wp-content/uploads/2023/06/04_2011.png Richten wir, zweitens, den Fokus auf die Zeit nach Fukushima, so zeigen sich vor allem Nachweisgrenzen in Form von orangen Dreiecksymbolen. Und diese sind meist kleiner als ein Mikro-Becquerel. Oder kleiner “1.00e-6”, wie das Mikro-Becquerel im Radenviro-Jargon auf einer Bq/m3-Skala heisst. Aber nicht immer: Grössere Nachweisgrenzen kommen zustande, wenn aus einem Grund der Filter bereits nach kurzer Zeit gewechselt und so nur wenig Probe gesammelt wurde oder, wenn aus einem anderen Grund die Probe erst mit Verzögerung gemessen werden konnte und so das Jod-131 mit seiner kurzen Halbwertszeit von 8 Tagen schon teilweise zerfallen war.
https://www.radenviro.ch/wp-content/uploads/2023/06/NWG-3.png Und drittens? Hier kommt die Europäischen Grossforschungseinrichtung CERN bei Genf ins Spiel. Dort werden in der Anlage ISOLDE “Targets” genannte Zielscheiben mit einem energiereichen Protonenstrahl beschossen. So erzeugen die Forscher und Forscherinnen eine Vielzahl von radioaktiven Isotopen und studieren deren Verhalten. Diese komplexen Experimente finden in grossen, geschlossenen und unter Vakuum stehenden Beschleunigeranlagen statt. Leider erlauben es weder der hier vorhandene Platz noch die kernphysikalischen Kenntnisse des Blog-Autors diese Vorgänge genauer zu erläutern. Immerhin, ein paar weiterführende Informationen sind unten verlinkt. Für uns ist im Moment nur wichtig, dass die Targets regelmässig ausgewechselt werden. Diese Gelegenheit lassen sich einige der hergestellten Isotope, nämlich die Volatilen, nicht entgehen und sie entwischen in die Umgebung. Ein paar davon kommen allerdings nicht sehr weit und landen gleich wieder auf dem Filter unseres Hochvolumen-Aerosolsammler (HVS) am CERN. So kommt es, dass wir gelegentlich Spuren von verschiedenen radioaktiven Isotopen des volatilen Elementes Jod nachweisen. Am häufigsten detektieren wir das Jod-131 mit einer Halbwertszeit von 8 Tagen. Vereinzelt kommen, in geringeren Konzentrationen, Jod-126 (Halbwertszeit 13 Tage) und Jod-124 (Halbwertszeit 4 Tage) dazu.
https://www.radenviro.ch/wp-content/uploads/2023/06/I131_2012_2023.png Die Grafik oben stellt die Messwerte aller HVS-Proben seit 2012 zusammen, bei denen ein kleines Jod-131-Signal festgestellt werden konnte. Das war bei knapp 2 Prozent aller in diesem Zeitraum untersuchten fast 3600 Proben der Fall. Die Grafik zeigt, dass der grösste Teil der Proben mit positivem Jod-131 Resultat aus der Station CERN stammen. Bei Werten grösser als 2 Mikro-Becquerel sind es praktisch alle. Es gibt zwei Perioden ohne Jod-131-Nachweise in den Aussenluftproben beim CERN und sie stimmen überein mit den längeren, stimmig “long shut-down 1” und “long shot-down 2” genannten Betriebsunterbrechungen von ISOLDE. Während dem ersten “long shut-down” erhielt ISOLDE einen Roboter zum Wechseln der Targets. Er ist, wenn ISOLDE in Fahrt ist, rund alle 10 Tage im Einsatz und wir können dann ein- bis zweimal pro Monat etwas Jod-131 messen. Die Konzentrationen betragen meist einige wenige Mikro-Becquerel pro Kubikmeter Luft: Das ist ein Vielfaches (Faktor 100’000!) unterhalb des Immissionsgrenzwertes für Jod-131 und daher gesundheitlich unbedenklich.
Die kleinsten Mengen von Jod-131, die ab und zu in anderen HVS-Stationen auftauchen, stammen aus therapeutischen Anwendungen dieses Isotopes in der Medizin. Überreste von “medizinischem Jod” können beispielswei[...]