Offener Brief
Sehr geehrter Herr Ăzdemir,
jeder Mensch ist das Produkt seines Umfelds. Die Erfahrungen der Jahre lehren uns, unsere Sichtweisen durch Ereignisse zu hinterfragen.
Es sieht aus, als hĂ€tten Sie, Herr Ăzdemir, Bundesminister fĂŒr ErnĂ€hrung und Landschaft, diese Erfahrung soeben gemacht. In einem Gastbeitrag fĂŒr die FAZ fordern Sie plötzlich eine energische Wende in der Migrationspolitik. Offenbar ist an dem Satz âMit dem Alter kommt die Weisheit!" doch etwas dran.
Vor Kurzem wĂ€ren solche Forderungen in Ihren Augen noch rechtsradikal und damit indiskutabel gewesen. Doch kaum trifft es Sie selbst, nachdem Ihre Tochter belĂ€stigt wurde, dreht sich Ihre Meinung um volle 180 Grad. Willkommen in der realen Welt der normalen BĂŒrger, Herr Minister!
Was berechtigt mich, Ihnen solche Zeilen zu schreiben?
Mein Name ist Michael Kyrath. Ich bin der Vater der am 25. Januar 2023 in Brokstedt ermordeten 17-jĂ€hrigen Ann-Marie. Neben meiner Tochter verstarb an diesem Tag auch ihr erst 19-jĂ€hriger Freund Danny, nachdem ein abgewiesener, mehrfach vorbestrafter, âstaatenloserâ PalĂ€stinenser in einem Nahverkehrszug 38-mal auf die beiden eingestochen hatte.
Im Gegensatz zu Ihrer Tochter, lieber Herr Ăzdemir, kommt unsere Tochter nicht mehr nach Hause! Es hat sich auch keiner Ihrer Parteifreunde in unserem Fall derart exponiert, wie Sie es jetzt fĂŒr Ihre Tochter tun.
Im Gegenteil! Man hat uns wissen lassen, wir sollten darauf achten, dass der Mord an unserer Tochter nicht von Rechtsradikalen missbraucht wird! Von einem Ihrer Koalitionspartner bekamen wir die Nachricht, es tue ihm leid, dass âdiese Leuteâ ums Leben gekommen sind.
Diese âLeuteâ waren unsere Kinder, Ann-Marie und Danny! Teenager von 17 und 19 Jahren, die auf dem Weg von der Schule nach Hause waren. Zwei junge Menschen, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten.
Können Sie es sich vorstellen, was so eine Tat mit den Hinterbliebenen macht? Mit uns als Eltern? Mit den GroĂeltern, MitschĂŒlern, Lehrern, Freunden, Nachbarn?
Wir werden niemals den Schulabschluss unserer Kinder mitfeiern! Wir werden ihnen niemals zu einer bestandenen Berufsausbildung oder Studium gratulieren! Wir werden nicht an ihren Hochzeiten teilnehmen, und wir werden auch niemals eigene Enkelkinder willkommen heiĂen. Wir werden unsere Kinder nie wieder in den Arm nehmen dĂŒrfen und ihnen sagen, dass wir sie lieben!
Bei mir haben sich ĂŒber 300 Elternpaare gemeldet, die in den letzten fĂŒnf Jahren ihre Kinder verloren haben.
Was uns alle eint, sind fĂŒnf Eckpunkte:
1. Immer das gleiche TĂ€terprofil
2. Immer das gleiche Tatwerkzeug
3. Immer die gleichen Tatmotive
4. Immer der nahezu gleiche Tathergang und
5. immer die gleichen Floskeln der verantwortlichen Politiker nach einer solchen Tat!
Wir durften uns nach den Morden an unseren Kindern anhören, dass es âbedauerliche EinzelfĂ€lleâ wĂ€ren und man ja nie hundertprozentige Sicherheit garantieren könne. Und dass man nicht verallgemeinern und damit den Rechtsradikalen in die HĂ€nde spielen darf. Und dass man versuchen werde, mit aller HĂ€rte gegen solche TĂ€ter vorzugehen. Mehr ist in den letzten Jahren nicht passiert.
Es hatten ânurâ rund 300 Eltern den Mut, sich an mich zu wenden und mir von diesem dunklen Kapitel ihres Lebens zu berichten. Wie hoch ist die Dunkelziffer derer, die den Mut nicht hatten?
Wir alle waren nur âEinzelfĂ€lleâ, unbedeutend, unbequem, unangenehm.
Ăber 300 ermordete Kinder und kein Aufschrei der verantwortlichen Politiker, auch nicht von Ihnen, Herr Ăzdemir! Und jetzt melden Sie sich zu Wort. Jetzt betrifft es Sie plötzlich persönlich, weil es um ihre Tochter geht. WĂ€re Ihnen diese Erkenntnis frĂŒher gekommen und hĂ€tten sie etwas unternommen, könnten viele unserer Kinder noch leben.
Mögen Sie eine solche Erfahrung niemals machen mĂŒssen!
Mit freundlichen GrĂŒĂen
Michael Kyrath, Elmshorn
https://www.achgut.com/artikel/warum_erst_jetzt_herr_oezdemir