Bernburg.
Das Entsetzen war groß, als Details über den Attentäter vom Magdeburger Weihnachtsmarkt bekannt wurden. Ein Arzt? Ausgerechnet ein Arzt, der sich dem Retten, nicht dem Zerstören vom Menschenleben verschrieben hat? Doch ist Taleb A. tatsächlich derjenige, der er vorgibt zu sein? In der Belegschaft des Maßregelvollzugs Bernburg sind die Zweifel daran stetig gewachsen, seit der 50-jährige Saudi dort im März 2020 seine Arbeit aufnahm.
Attentäter Taleb A.: Spöttischer Spitzname für Stationsarzt
„Er heißt bei uns ,Dr. Google'“, sagt ein Mitarbeiter der MZ. Den spöttischen Spitznamen trage er, weil er „vor jeder gestellten Diagnose im Internet nachgucken musste.“ Es ist nicht das einzige seltsame Verhalten, dass Taleb A. in den vergangenen viereinhalb Jahren an den Tag legte. Der Mann, der als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie drei Therapiestationen leitet, soll seine Visiten grundsätzlich allein gemacht haben. „Gespräche mit uns Mitarbeitern hat er möglichst vermieden.“
Auch bei Patienten stieß der saudische Arzt offenbar auf Misstrauen. „Einige haben sich geweigert, von ihm behandelt zu werden.“ Weil er auch nach so langer Zeit in Deutschland - 2006 soll er eingereist sein - noch schlecht Deutsch spreche, habe es wiederholt Missverständnisse bei der Diagnosestellung gegeben, berichtet eine Beschäftigte.
Kritik an Behandlungspraktiken und Diagnosen
Der Mediziner, der die Therapie von suchtkranken Straftätern koordinierte, sorgte in der Belegschaft auch immer wieder mit einem Ratschlag für Stirnrunzeln. Wenn neue Patienten ihn fragten, wie sie schnell von ihrer Rauschgiftsucht loskommen können, dann antwortete Taleb A. immer wieder: „Alkohol gut, Honig schlecht“.
Fehlerhafte Medikamente und interne Vorwürfe
Das Verhalten des Saudis wirft indes nicht nur im Maßregelvollzug Fragen auf. Der Mann, der 2016 politisches Asyl beantragte und bekam, inszenierte sich als Islam-Kritiker, pries aber auf seinem X-Account unter anderem die islamische Terrororganisation Hamas und verstörte wiederholt geflüchtete Landsfrauen, weshalb er laut „Correctiv“ als „mysteriöse Figur“ in der arabischen Community in Deutschland galt.
Zu Beginn einer beruflichen Tätigkeit durfte er auch im benachbarten Salus-Fachklinikum praktizieren. Dort dürfe er mittlerweile aber keine Patienten mehr behandeln, berichten Mitarbeiter. Grund: Taleb A. soll mehrfach Medikamente verschrieben haben, deren Einnahme die Patienten in Lebensgefahr gebracht hätten. Schwestern, die das bemerkten, hätten das verhindern können.
Hinweise von uns hat die Klinikleitung immer wieder abgewiegelt.Mitarbeiterin im Maßregelvollzug
Trotz dieser Fälle habe der Saudi zur Verwunderung der Mitarbeiter aber weiterhin im Maßregelvollzug tätig bleiben dürfen. „Hinweise von uns hat die Klinikleitung immer wieder abgewiegelt“, sagt eine Beschäftigte. Im Mai dieses Jahres sei der 50-Jährige dann wochenlang verschwunden gewesen.
„Wir dachten alle, dass unser Verdacht richtig ist und er sich abgesetzt hat, weil er kein Arzt ist. Bis er plötzlich wieder auftauchte“, erzählt ein Mitarbeiter. Es wäre nicht der erste Fall, dass ein „Arzt“ im Bernburger Maßregelvollzug als Hochstapler enttarnt wurde.
Krankschreibung bis zum Tag der Amokfahrt in Magdeburg
Taleb A. blieb bis Ende Oktober im Dienst, danach nahm er Urlaub und freie Tage, ließ sich krankschreiben. Seine Krankschreibung lief bis zum 20. Dezember - dem Tag seiner Amokfahrt."