Das magische Karussell
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An einem warmen Frühlingsmorgen schlenderte die achtjährige Emma mit ihrer Mutter über den Flohmarkt. Die Luft war erfüllt von Stimmengewirr, dem Duft von frisch gebackenen Waffeln und dem Rascheln alter Bücher. Emma liebte solche Tage – die Schätze, die sie entdecken konnte, waren wie kleine Abenteuer.
„Mama, schau mal!“, rief sie plötzlich und deutete auf einen Stand mit allerlei kuriosen Gegenständen. Zwischen alten Puppen und verblichenen Blechdosen stand ein kleines Spielkarussell. Es war aus Holz, mit zarten Figuren von Pferden und Kutschen, die kunstvoll bemalt waren. Die Farben waren zwar verblasst, aber in Emmas Augen war es wunderschön.
„Das sieht aber alt aus“, sagte ihre Mutter skeptisch. Doch Emma war begeistert. „Bitte, Mama! Es ist so schön!“ Der Verkäufer, ein älterer Mann mit einem schelmischen Lächeln, beugte sich zu Emma hinunter. „Das ist kein gewöhnliches Karussell, kleine Dame. Es hat seine eigenen Geheimnisse.“
Emma kicherte, überzeugt, dass er nur eine Geschichte erfand. Ihre Mutter zahlte schließlich den kleinen Betrag, und Emma trug das Karussell stolz nach Hause.
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Im Garten stellte Emma das Karussell auf den Tisch und begann, die kleinen Figuren zu drehen. Sie summte ein fröhliches Lied, während sie die winzigen Pferde anschob. Plötzlich begann das Karussell zu leuchten. Ein sanfter, goldener Schein umhüllte sie, und Emma spürte ein Kribbeln, das durch ihren ganzen Körper ging.
Als das Licht verblasste, schaute sie an sich hinunter – und erschrak. Ihre Arme waren länger, ihre Hände größer, und ihre Kleidung spannte plötzlich seltsam. Sie rannte zum Gartenteich, um ihr Spiegelbild zu sehen. Dort blickte ihr eine junge Frau entgegen, vielleicht Mitte zwanzig, mit langen braunen Haaren und großen, neugierigen Augen.
„Das ist... unmöglich!“, flüsterte Emma und berührte ihr Gesicht. Sie war erwachsen – zumindest äußerlich. Doch in ihrem Inneren war sie immer noch das fröhliche, achtjährige Mädchen.
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Verwirrt und neugierig zog Emma ein Kleid ihrer Mutter an und wagte sich hinaus in die Welt. Sie wollte verstehen, wie es war, erwachsen zu sein. In einem Café in der Stadt bemerkte sie schnell, dass die Menschen um sie herum alle ernst und gehetzt wirkten. Niemand lachte, niemand sprach miteinander. Emma, die voller kindlicher Neugier war, begann spontan mit einer Kellnerin zu plaudern.
„Warum lächeln Sie nicht?“, fragte sie mit leuchtenden Augen. Die Kellnerin, zunächst überrascht, lächelte schließlich zaghaft zurück. „Es gibt nicht viel Grund zum Lächeln“, antwortete sie. Doch Emma ließ nicht locker, erzählte eine lustige Geschichte aus ihrer Schulzeit, und bald lachten beide. Andere Gäste schauten neugierig herüber, und für einen Moment schien das Café heller zu werden.
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Später, im Park, begegnete Emma einem jungen Mann namens Daniel. Er war freundlich und charmant, und bald merkte Emma, dass er sich in sie verliebt hatte. Doch Emma fühlte sich unwohl. Sie mochte Daniel, aber sie war schließlich noch ein Kind. Sie wich seinen Annäherungsversuchen höflich aus und erklärte, dass sie nicht bereit sei für solche Gefühle.
„Du bist... anders“, sagte Daniel schließlich. „Du siehst die Welt mit so viel Freude. Es ist, als würdest du etwas wissen, was wir vergessen haben.“
Emma nickte. „Vielleicht habt ihr es wirklich vergessen“, sagte sie leise. „Aber es ist nie zu spät, es wiederzufinden.“
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Die Stunden vergingen, und Emma bemerkte, wie ihre kindliche Freude die Menschen um sie herum zu verändern schien. Fremde begannen, miteinander zu reden, zu lachen und sich gegenseitig zu helfen. Doch obwohl sie diese magischen Momente genoss, spürte Emma, dass sie ihre wahre Gestalt zurückhaben wollte. Sie wollte wieder das sorglose Kind sein, das sie war.
Als die 24 Stunden fast vorbei waren, rannte sie nach Hause und drehte das magische Karussell erneut. Wieder umhüllte sie das goldene Licht, und als es verblasste, war sie wieder ein achtjähriges Mädchen. Erleichtert und glücklich umarmte sie ihre Mutter.
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