Der 29. / 30. September war dem germanischen Erntefest, dem Wodansblót oder vielfach Friggatag, vorbehalten und wird dem Haustblót gleichgesetzt. Es wurde Frigga (Nerthus, Njörd, Tanfana) für die Ernte gedankt und der Besuch des Allvaters erwartet, der zur Erntezeit umherzog, um zu prüfen, ob jeder bereit war, ein wenig von dem abzugeben, was ihm gegeben worden war. Ein Reisender oder unerwarteter Gast wurde in dieser Zeit besonders liebevoll umsorgt. Darüber hinaus begann man damit, Speisen für die Angehörigen der Wilden Jagd vor die Tür zu stellen. Selbstverständlich lud man den Allvater auch zum Haustblót (Herbstopferfest) ein, bei dem reichlich aufgetischt und beim Gedächtnistrunk der Götter und Ahnen gedacht wurde. Odin weihte man das Erntebier, während seinem Pferd Sleipnir, dem Seelenführer, die letzte Garbe (die der Schnitter bei der Ernte stehen liess), das Wudfutter, angeboten wurde. Nach dem Wotansblót geleitete der Allvater das Totenheer der Wilden Jagd in den Herbststürmen wieder zurück nach Midgard, ins Diesseits, damit der Winter Einzug halten konnte.
Traditionell wurde gleichzeitig das große Herbstthing abgehalten, bei dem alle Dinge geklärt werden mussten, die man nicht mit in die dunkle Jahreszeit nehmen wollte. Damit zu Yule Friede herrschen konnte, wurden Aussprachen angeregt, Streitigkeiten und Prozesse vor dem Winter beendet. Bei Flurumgängen wurde dann das künftig zu bewirtschaftende Land zugeteilt und die Grenzen abgesteckt, denn in den nächsten Monaten würde die Witterung alle Zusammenkünfte unmöglich machen.
Die Kirche übernahm das Herbstfest als Erntedankfest, das am 29. September oder am ersten Sonntag nach diesem Datum gefeiert wird. Auch kennt man den Termin als Kirchweih / Kirmeß oder Michaelifest (Michaelstag, Michaelmas) zu Ehren des Erzengels Michael, der an diesem Tag den ehemaligen Lichtbringer Lucifer in die Hölle verbannt - eine auffällige Parallele zum Kampf der Könige. Einige trennen die beiden Feste in den Höllensturz Lucifers zu Lugnasadh und den Festtag des Erzengels Michael an Mabonadh. Da Michael außerdem als Richter und Führer der Verstorbenen auftritt, der die Seelen ins Jenseits geleitet, kann man davon ausgehen, dass der Erzengel hier den Allvater ersetzte.
Der Tag gilt darüber hinaus als Scheidetag, denn von nun an werden die Tage merklich kürzer: Michael zündet’s Licht an und schneidet den Tag ab. Die regional stattfindenden Michaelimärkte läuten die kalte Jahreszeit ein.
Aus dem Haustblót wurde das Erntedankfest, beziehungsweise das Martinsfeuer, der Gedächtnistrunk zur St. Michaels-Minne.
In Schottland kennt man den Tag als St. Michaels Day, bei dem Tänze zu Ehren der Cailleach aufgeführt werden, die nun wieder zum Leben erwacht, beziehungsweise von den Tänzern symbolisch zum Leben erweckt wird.
Da in vergangenen Zeiten das Bierbrauen den Sommer über unmöglich war und erst im kühlen Herbst wieder begonnen werden konnte, kennt man das Datum als Biersilvester, mit dem ein neues Braujahr begann.
Im Alpenraum beginnt die Zeit des Almabtriebs. Zum Dank dafür, den Sommer lebendig überstanden zu haben, wird das Vieh (ehemals nur die Leitkuh) herausgeputzt und mit Bändern, Papierrosetten, Glocken, Spiegeln, Blumen, Kräutern sowie immergrünen Pflanzen geschmückt. Vieles dient dabei der Abwehr von Unheil auf dem Weg ins Tal, insbesondere die Spiegel, die alles Unheil fernhalten sollten. Im Tal werden die Tiere vor dem Aufstallen zuerst dreimal um den Hof getrieben.
Aus: Das magische Jahr
t.center/HueterderIrminsul